Aussage der Kreszenz Rieger aus dem Jahr 1922
Die erste Aussage der ehemaligen Dienstmagd auf Hinterkaifeck, Kreszenz Rieger:

Aussage Kreszenz Rieger vom 24.4.1922

Polizeidirektion München Adelshausen, den 24.April 1922
Fahndungsabteilung
Betreff:
Raubmord im Einödhof Hinterkaifeck


Erscheint auf Vorruf die led. Dienstmagd

Kreszenz Rieger
gebor. 23. April 97 (handschriftlich eingefügt 1897) in Obershausen bei Augsburg, z.Zt. bei dem Bauern Kaspar Wagner in Adelshausen bedienstet und gab zur Sache folgendes an:

„Seit etwa 25. März 22 bin ich hier bei Wagner in Stellung. Richtig ist, dass ich im Einödhof Hinterkaifeck bei Frau Gabriel als Dienstmagd in Arbeit war. Durch Vermittlung der Verdingerin Julia Roggersmüller in Schrobenhausen erhielt ich anfangs November 1920 ( also nicht erst am 9.10.1921 ) als Magd diese Stellung. Dort blieb ich bis zur Haferernte – Ende August- 1921 im Dienst. Ich hatte damals mit dem ledigen Fabrikarbeiter Jakob Weber, 28 Jahre alt, ein Liebesverhältnis. Weber hatte ich schon vor dem Kriege kennenglernt; er war damals im Gute des Frh.v. Pfetten als Knecht bedienstet, musste während des Krieges einrücken, erhielt ein Schussverletzung im Knie, an der er in Folge einer Operation im Mai 1921 in München verstorben ist. In den letzten Jahren war er im Werk Ebenhausen bei Reichertshofen als Fabrikarbeiter beschäftigt. Von Weber war ich damals schwanger und wurde am 27.März 1921 bei Fr. Gabriel von einem Mädchen entbunden. Mein Kind musste ich wegen mangelhafter Erziehung zu folg Anordnung Dr. Gessner von Schrobenhausen im Sommer 21 in Pflege geben. Es befindet sich z.Zt. in Rettenbach bei Unterholzer.

Kurz nach meinem Dienstantritt im November 20 kam in die Behausung meiner Dienstgeberin Fr.Gabriel der Fabrikarbeiter

 

 

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Anton Bichler

-Hausname Werdy- von Waidhofen und stellte an mich Liebesanträge. Ich teilte dies den Eheleuten Gruber und der Frau Gabriel mit. Diese haben mich ( sic!) aber davon abgeraten und zwar mit der Begründung dass Bichler immer stehle. Sie hatten auch Verdacht gegen Bichler ausgesprochen, dass dieser ihnen Hühner gestohlen hätte.

 

Wie ich selbst gesehen habe, hat Gruber dem Bichler am ersten Sonntag meines dortigen Dienstes sein ganzes Anwesen, d.h. alle Räumlichkeiten, auch den Motor gezeigt. Er kam nachher alle 14 Tage bis 3 Wochen in die Behausung der Frau Gabriel um zu hamstern, hat außerdem bei der Kartoffelernte und beim Dampfdreschen mitgeholfen. Er wusste auch, dass die Gabriel viel Geld habe. So sagte er einmal zu mir: „Den Dracher, die Eheleute Gruber und Fr. Gabriel meinend, leid`s nichts anders, als ein verbranntes Brei und haben doch so viel Geld.“ Dies hat er später wieder einmal gesagt. Über die Kost klagte er wiederholt und wollte haben, dass ich den Dienst dort verlasse.

 

Wie mir Bichler selbst mitteilte, war er schon in der ersten Zeit bei mir beim Kammerfenster und hätte an meinem zu ebener Erde liegenden Fenster geklopft. Dass dies zutreffend war, ging daraus hervor, dass unten am Fenster abgebrannte Streichhölzer lagen und außerdem konnte man Fußtritte im Garten in den Beeten wahrnehmen. Ich habe das Klopfen am Fenster nicht hörn können, da ich in Folg der Entbindung im Wohnzimmer geschlafen habe. Er hat mich auch besucht, wie ich entbunden habe. Nachher kam er einige mal wieder zum Kammerfenster und war auch vorher öfters bim Kammerfenster bei mir. Ich hab ihn aber niemals in meine Kammer gelassen, da ich nicht Willens war, mich mit ihm auf ein Verhältnis einzulassen und mit ihm geschlechtlich zu verkehren, obwohl er mich öfters darum angegangen habe. Nachdem ich auf seine Liebesanträge nicht mehr einging, wusste ich von Bewohnern aus Gröbern, die ich nicht näher kenne,

 

 

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Erfahren, dass er mich einmal „durchlassen“ wolle. Ich habe geglaubt, dass er mich erschlagen wolle. Fr. Gabriel sagte mir selbst einmal, dass ihr gelegentlich des Kirchganges in Waidhofen mitgeteilt worden sei, dass Bichler sich dahin geäußert hätte, dass si-Gruber und Gabriel-schuld daran seien, dass er (Bichler) die Zenzi (Rieger) nicht kriegt.

Außerdem hab ihr auch eine alte unbekannte Frau aus Gröbern mitgeteilt, dass sie erfahren habe, dass Bichler sie durchlassen möchte. Ferner hätte Bichler sich noch geäußert „die Kaifecker gehören alle erschlagen“. Eine ähnliche Äußerung soll auch der Knecht 
 

Georg Siegl

gemacht haben. Dies habe ich ebenfalls von einer unbekannten Frau erfahren.

Ich hielt Anton Bichler für einen gewalttätigen Menschen und gab dies auch den Eheleuten Gruber und Frau Gabriel zum Ausdruck, indem ich ihnen mitteilt, dass ich nicht mehr bei ihnen bleiben werde, da wir sonst von Bichler einmal alle erschlagen werden. Daraufhin hatte mir Frau Gabriel geantwortet: „Wenn dich nur einmal einer fressen werde, weil Du gar so Angst hast.“ Durch die Drohungen des Bichler verließ ich auch den Dienst bei Gabriel.

 

Ausdrücklich möchte ich noch bemerken, dass der Hofhund der Frau Gabriel, der sonst gegenüber anderen Leuten, selbst gegen mich sehr bissig war, gerade bei Anton Bichler nichts machte, d.h. nicht einmal bellte; auch zur Nachtzeit nicht, wenn der Hund im Stalle eingesperrt war und Bichler zu mir zum Kammerfenster gekommen ist. Diesen Hund durfte ich nicht grob ansehen, sonst biss er mich noch in letzter Zeit. Er hat sogar die kleine ermordete Cäzilie Gabriel in den Backen gebissen.

 

Bichler hat einen Bruder namens

Karl Bichler

Dieser Karl Bichler hat im Jahre 1919 in Koppenbach dem Gastwirt Walter ein Pferdegeschirr gestohlen.

 

 

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Wie ich von dem Mord in Hinterkaifeck erfahren habe, war mein erster Gedanke, dass diese Tat die beiden Brüder Anton und Karl Bichler und Sigl vollbracht haben. Dies hab ich auch meiner ehemal. Und meiner jetzigen Dienstfrau – Zach und Wagner mitgeteilt.

Sigl war auch öfters bei Gabriel beschäftigt, aber nicht während der Zeit, wo ich im Dienste war. Ich sah ihn während meiner Dienstzeit nie in der Behausung der Gabriel, kann daher nicht angeben, ob ihn der Hund leiden konnte oder nicht d.h., ob er ihn auch nicht verbellte, wie Anton Bichler.

 

Wie ich erfahren habe, soll sich auch Siegl den Gruber und der Frau Gabriel gedroht und sich ähnlich wie Anton B. geäußert haben.

Außerdem habe Siegl 8 Tage vor seinem Dienstantritt bei Gabriel, also anfangs November 1920 untertags einen Diebstahl im Hause der Gabriel in der Weise verübt, dass er eine Stang an die Giebelseite des Hauses anlehnte, an dieser bis zum Giebelfenster hinaufkletterte und sich dann durchs offene Fenster ins Haus begab. Dort habe er nach Mitteilung der Eheleute Gruber und der Frau Gabriel ein größeres Quantum an geräuchertem Fleisch, dann Eier, Brot und ferner Kleidungsstück, davon Kinderkleider gestohlen. Von den Gruber`schen Eheleuten und der Frau Gabriel , die damals auf dem Feld waren, sie die Stange an der Giebelmauer gesehen worden und deshalb seien sie nach Haus. Sie hätten Sigl noch beobachtet, wie er durch die Scheune das Haus verließ und auf den Wald zu davongelaufen wäre. Auf der Flucht habe er einige Kinderkleider in der Scheune auf dem Stroh verloren. Dies alles wurde mir von der kleinen Cäzilie Gabriel ebenfalls erzählt.

 

Trotzdem hatte ihn Fr. Gabriel nach mir, d.h. wie ich den Dienst dort verlassen hatte, wieder in Dienst genommen. Er sei aber nur 2 Tage dort gewesen und dann davon gelaufen. Ich erfuhr dies bei jener Gelegenheit, wo ich meinen Kasten bei Fr. Gabriel abgeholt habe.

Einmal erinnere ich mich , klopfte bei der Nacht am Fenster meiner Schlafkammer in Hinterkaifeck ein mir zunächst unbekannter Mann. Dieser sagt er sei der Bauern-Sepp von Gröbern und ob ich ihn

 

 

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nicht zu mir hereinlassen möchte. Den Bauern-Sepp von Gröbern kenn ich, er war es nicht. Ich vermute aber, dass es der Karl Bichler gewesen ist. Dieser Mann war nämlich so groß wie Karl Bichler. Anton Bichler ist etwas kleiner. Fragliche Person war etwa 1,73 m groß, zwischen 30 und 40 Jahre alt, hatte etwas starkes Gesicht und glaublich Schnurrbart. Er trug einen grünen, oben rund eingedrückten Filzhut. Näher kann ich den Mann nicht beschreiben, da es nachts zwischen 11 und 12 Uhr war und ich die Person nur von der Seite aus sehen konnte. Die Nacht war damals halbdunkel. Er wollte zu mir und da ich ihn nicht hereinließ, fragt er mich ob die „Jung“ (Frau Gabriel) nicht beim „Alten“ (Gruber) liegt. Ich sagte ihm, dass ich das nicht wüsste, daraufhin entfernte er sich in der Richtung nach Gröbern.

 

Gesehen habe ich nie dass Gruber bei seiner Tochter Frau Gabriel im Bette gelegen sei. Dagegen habe ich die Beiden abends mal zwischen 7 und 8 Uhr in der Scheune überrascht, wie sie auf dem Stroh liegend den Geschlechtsverkehr ausübten. Nachher sagte Frau Gabriel zu mir, wenn sie gewusst hätte, dass ich in die Scheune käme, wäre sie nicht hinaus gegangen. Mich hat Gruber niemals angegangen mit ihm geschlechtlich zu verkehren. Trotzdem hatte ich den Eindruck gewonnen, dass Frau Gabriel mit mir eifern wollte.

Den Schlittenbauer, der Vater zu dem ermordeten Knaben sein soll, kenne ich schon. So lange ich in Hinterkaifeck in Dienst war, verkehrte er aber niemals dort. Der alte Gruber und Schlittenbauer redeten miteinander, dagegen nicht die Frauen mit Schlittenbauer. Ich hörte nur einmal von Gruber sagen, dass Schlittenbauer ein Stier sei. Sonst kann ich über den Verkehr des Schlittenbauer mit Gruber und Frau Gabriel nichts sagen.

 

Fremden Hamsterern , die nach dorthin kamen, gaben sie nichts. Sie haben auch kein solche ins Haus gelassen. Nur einmal

 

 

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Kam es vor, dass ein alter Mann, der einen guten Eindruck macht und damals glaublich Schwarzbeeren pflückte, in Hinterkaifeck übernachtet hatte.

 

Irgendwelche Personen, die Gruber und Frau Gabriel feindlich gesinnt warn, habe ich nicht kennen gelernt. Infolge ihrer Geizigkeit waren sie sehr unbeliebt und niemand hat sie mögen.

 

Von ihren Verwandten sah ich nur einmal die Schwester, Frau Starringer auf Besuch.

 

Mein jetziger Geliebter heißt Johann Engelhardt.Er ist Hilfsarbeiter in Schrobenhausen und wohnt dort in der Kaminkehrergasse. Ich lernte ihn in Schrobenhausen kennen und hab mit ihm seit einem halben Jahr in Verhältnis. Besucht hat er mich bis jetzt nicht, auch nicht in Hinterkaifeck.

 

Von Oberhausen und Augsburg hat mich in Hinterkaifeck niemand aufgesucht, auch nicht beim Hamstern.

 

Ich bestreite auch, dass ich mit 2 Burschen verkehrt wäre oder dort von solchen aufgesucht worden wäre.

Von meinen Angehörigen wurde ich nie in Hinterkaifeck aufgesucht. Einen Bruder habe ich nicht und meine beiden Schwestern Viktoria und Anna Rieger wohnen in München, unbekannt wo. Beide sind in Oberhausen geboren , sind noch ledig und haben mich nie aufgesucht.


Quellenhinweis:
Die eingestellten Akten werden im Staatsarchiv München unter der Archivsignatur
PolDir 8091B
verwahrt.

 


 

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