Dersch Aussage vom 11.12.1951 vor der Landpolizei Oberbayern, Kriminalaußenstelle Pfaffenhofen:
I. Zur Person
Dersch, Vorname: Franz Xaver, * 15.7.1890 in Pfaffenhofen, unehelich der Wäscherin Victoria Dersch, verh. mit Johanna, geb. Wintersberger, Bäcker, Deutscher StA, wohnhaft Pfaffenhofen, Sulzbacher Str. 4/I, vorbestraft;
wirtschaftliche Verhältnisse: Seit 2 Jahren ohne Arbeit, ich erhalte wöchentlich 27 DM Arbeitslosenfürsorge, Miete 20 DM monatlich, ein Kind im Alter von 6 Jahren
II. Zur Sache
Ich bin zwar in Pfaffenhofen an der Ilm geboren und bis zum 17. Lebensjahr hier bei einem Rechtsanwalt als Bürolehrling tätig gewesen, jedoch später nach Regensburg und Neufahrn gekommen. Mit knapp 20 Jahren bin ich zum Militär gekommen. Nach dem ersten Dienstjahr habe ich mich als Kapitulant für eine 12jährige Dienstzeit verpflichtet gehabt. Diese Verpflichtung ist aber aufgrund einer Verurteilung durch das zust. Militär-Gericht wegen Betrugs und Urkundenfälschung wieder aufgehoben worden. Ich bin dann nach Ableistung meiner zweijährigen Dienstzeit vom Militär ausgeschieden. Meine Angaben , ich sei Kapitulant, in dem Bericht an den Donau-Kurier sind also unzutreffend. Bei Kriegsbeginn 1914 wurde ich wieder zur Infanterie eingezogen. Mein Dienstgrad war Infanterist. Im Jahre 1915 wurde ich Unteroffizier und bald darauf Kompaniefeldwebel. Im Jahre 1916 wurde ich wegen Unterschlagung, Urkundenfälschung u.a. zu 6 1/2 Jahren Gefängnis verurteilt, zum sog. gemeinen Mann degradiert und zum Soldaten 2. Klasse eingestuft. Einen Teil der Strafe habe ich im Oberhaus in Passau verbüßt. Im Nov. 1918 wurde ich als Infanterist vom Heer entlassen. Im Frühjahr 1919 kam ich zum Freikorps Epp, dem ich bis zu dessen Auflösung im Oktober 1920 angehörte. In die Reichswehr bin ich nicht mehr eingetreten. Beim Freikoprs Epp war ich wieder Kompaniefeldwebel. Einen Zivilversorgungsschein oder eine sonstige Versorgung erhielt ich nicht. Nach meinem Ausscheiden aus dem Freikorps kam ich als Gemeindeschreiber nach Waidhofen. Später habe ich die Verwaltungsprüfung abgelegt und wurde zum Gemeindesekretär für die Gemeinden Waidhofen, Koppenbach, Wangen und Diepoltshofen bestellt. Im Jahre 1926 wurde ich wegen Urkundenfälschung und Betruges zu einem Jahr Zuchthaus verurteilt. Somit war ich als Gemeindeschreiber nicht mehr tragbar und musste entlassen werden. An meiner Verurteilung trug der damalige Bürgermeister Andreas Schrittenlocher aus Waidhofen die Hauptschuld, weil er mich veranlasst hatte, zu seinem Vorteil eine Falschbuchung vorzunehmen. Er wurde damals gleichfalls verurteilt. Nach meiner Strafverbüßung wurde ich trotz meiner Verurteilung von den Gemeinden Koppenbach und Diepoltshofen noch etwas zwei Jahre als Gemeindeschreiber beschäftigt. Anschließend war ich bis 1939 selbständiger Rechtskonsulent. Bis 1943 war ich wieder in Pfaffenhofen als Bäcker tätig. Im April 1943 wurde ich zur Organisation Todt eingezogen und dort als Feldpostmeister verwendet. Am 1.9.1945 fand ich eine Anstellung bei der Straßenverkehrsstelle Pfaffenhofen. Dort war ich bis 1.11.1946. Anschließend war ich 7 Monate lang Öffentlicher Kläger bei der Lagerspruchkammer Moosburg. Auf Veranlassung des Spruchkammervorsitzenden Schütz wurde ich dort jedoch entlassen. Bis 1949 war ich wieder Bäcker in Unterhaching und seither bin ich arbeitslos.
Seit März 1946 bin ich in zweiter Ehe verheiratet.
Ungefähr seit zwei Jahren trägt meine Frau "Die Pfaffenhofener Zeitung" aus, die jetzt vom Donau-Kurier in Ingolstadt übernommen worden ist. Es ist eigentlich praktisch so, dass ich die Zeitung austrage. Es geht aber auf den Namen meiner Frau. Ich bin nicht Lokalberichterstatter für dieses Blatt.
Bei meiner Vernehmung wurde mir mein Bericht zur Mordsache Hinterkaifeck an die Redaktion der "Pfaffenhofener Zeitung" vorgehalten. Es erübrigt sich, mir den Inhalt dieses Berichtes nochmals bekanntzugeben, denn ich kenne ihn und habe außerdem noch eine Durchschrift davon in Besitz.
Auf entsprechenden Vorhalt muss ich erklären, dass ich mich für die Richtigkeit des Berichtes und die Wahrheit der von mir in diesem Bericht gemachten Angaben nicht verbürgen kann. Ich muss zugeben, dass ich Wahrheit mit Dichtung hierbei vermischt habe. Ich kann in keiner Weise beweisen und auch nicht behaupten, dass Karl Gabriel seit der Schlacht an den Masurischen Seen vermisst ist, als Sonderkommissar in Russland lebt, von Bekannten über die Zustände bei ihm daheim unterrichtet wurde, daraufhin vorübergehend nach Hinterkaifeck zurückgekehrt ist, den 6fachen Mord begangen hat und daraufhin wieder nach Russland zurückgekehrt ist.
Abschließend möchte ich folgendes angeben:
1. Es war nicht meine Absicht irgendwelche Behörden irgendwie zu täuschen und die Polizei bei ihren Ermittlungen nach dem Mörder von Hinterkaifeck auf eine falsche Spur zu bringen. Wenn ich in meinem Bericht zum Ausdruck gebracht habe, Karl Gabriel könne der Mörder von Hinterkaifeck sein, so tat ich es deshalb, weil ich aufgrund der bestehenden Gerüchte des Glaubens war, Karl Gabriel würde noch leben und sei wirklich der Mörder.
2. Es war ferner nicht meine Absicht, den verstorbenen Karl Gabriel zu verleumden. Daran habe ich gar nicht gedacht. Ich muss zugeben, dass ich hier zumindest leichtfertig gehandelt habe. Aus dieser Erfahrung werde ich künftig lernen.
3. Ich glaube nicht, dass ich mich der Verletzung der Amtsverschwiegenheit schuldig gemacht habe. Mein Artikel enthält keine Angaben, die der Amtsverschwiegenheit unterlegen hätten. Dass die Beurkundung einer Geburt zu den Obliegenheiten eines Gemeindeschreibers gehört, kann kein Geheimnis sein und war allgemein bekannt. Ebenso war allgemein bekannt, dass die Kriminalpolizei damals wochenlang Vernehmungen durchführte und auch Festnahmen ausgeführt hatte. Ferner war es Ortsgespräch, dass im Zusammenhang mit diesen Vermutungen eine Anzahl von Sühneterminen stattfand. Dass Gruber und Frau Gabriel wegen Blutschande verurteilt und dass Kind Josef aus dieser verbrecherischen Beziehung stammt oder stammen soll habe ich nicht in amtlicher Eigenschaft als Gemeindesekretär erfahren. Es wurde darüber allgemein gesprochen.
Für meinen schriftlichen Artikel und meinen mündlichen Bericht habe ich vom Donaukurier oder der dieser angegliederten Pfaffenhofer Zeitung keine Entschädigung erhalten. Ich habe nur diesen einen schriftlichen Artikel zur Veröffentlichung eingereicht. Der von mir schriftlich eingereichte Artikel ist nicht wörtlich wiedergegeben worden. Es wurde verschiedenes weggelassen aber auch anderes hinzugefügt oder verändert.
Sollte ich jemals wieder einen Artikel für eine Zeitung schreiben, so werde ich mich streng an die Wahrheit halten. Sofern ich mich strafbar gemacht haben sollte, bitte ich um eine milde Beurteilung und Würdigung der Tatsache, dass ich niemand irreführen und niemand beleidigen wollte.
v.g.u.u.
gez. Xaver Dersch
Quellenhinweis:
Die eingestellten Akten werden im Staatsarchiv Augsburg unter der Archivsignatur
StAnwA 1 Js 244/52
verwahrt.
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