Hellseherinnen helfen bei den Ermittlungen
Der Neuburger Landgerichtsarzt Dr. Aumüller hat den sechs Opfern von Hinterkaifeck im Rahmen der Obduktion die Köpfe abgetrennt. Anschließend wurden diese zur Präparation ins pathologische Institut der Ludwig-Maximilians-Universität nach München gebracht. Das Abtrennen und Präparieren der Köpfe bei Leichen mit schweren Schädelverletzungen war auch schon in den zwanziger Jahren des 20. Jhdts ein übliches Verfahren, weil auf diese Weise genaue Erkenntnisse über das Tatwerkzeug und den Tatablauf erlangt werden konnten.
Da es im Mordfall Hinterkaifeck trotz intensiver Ermittlungen auch vier Wochen nach der Tat keine heiße Spur gab, kamen die Münchner Polizei und der Neuburger Staatsanwalt Ferdinand Renner auf die Idee zur Aufklärung des Verbrechens Hellseherinnen einzusetzen. Insbesondere wollten sie auf „übernatürlichem“ Wege Informationen über Aussehen, Identität und Aufenthaltsort der Täter erlangen.
In der Weimarer Republik war die Hinzuziehung von Hellsehern und Medien für die polizeiliche Ermittlungsarbeit durchaus üblich. Die ersten Versuche Verbrechen durch Hellseher aufzuklären lassen sich auf das Jahr 1919 datieren. Bereits damals experimentierte der Leipziger Polizeirat Ernst Engelbrecht mit Telepathen. In Wien gab es 1921 unter Federführung des Landgerichts ein Institut für kriminaltelepathische Forschung, wo versucht wurde die Arbeit mit Hellsehern wissenschaftlich zu erfassen.
Immer häufiger kamen damals Hellseher im Rahmen von polizeilichen Ermittlungen zum Einsatz, wenn andere Möglichkeiten versagten. Sie wurden beispielsweise auch bei der Suche nach verschwundenen Personen eingesetzt.
Schlagzeilen machte im Sommer 1921 vor allem die Frankfurter „Wahrträumerin„ Minna Schmidt. Sie hatte im Fall eines Doppelmordes an zwei Bürgermeistern in Heidelberg den späteren Fundort der Leichen bestimmt.
Auch aus dem Raum Schrobenhausen ist der Einsatz einer Hellseherin bei der Aufklärung eines Mordes bekannt. Im Jahre 1930 wurde bei den Ermittlungen im Mordfall Brückl mit Erfolg eine Hellseherin eingesetzt um die Leiche des verschwundenen Ludwig Brückl zu finden.
Im Mordfall Hinterkaifeck waren die Nürnberger Hellseherinnen Fräulein Bü und Fräulein Jü leider nicht erfolgreich. Ihnen wurden in einer spiritistischen Sitzung am 2.5.1922 von Staatsanwalt Renner Pakete mit den Schädeln der Opfer präsentiert, wobei man wohl davon ausgehen kann, dass es sich nur um die Schädelkalotten gehandelt hat , sowie eine Brieftasche der Opfer und das Heuseil, welches vermutlich der Täter berührt hatte. Trotz intensiver Bemühungen konnten sie den oder die Täter nicht sehen und so auch keine relevanten Hinweise zu ihrer Ergreifung geben.
Natürlich ist es so, dass man den Einsatz von Hellsehern zur Aufklärung von Verbrechen sehr skeptisch sehen kann. Man darf aber nicht vergessen, dass Hellseher bei der Polizeiarbeit auch Erfolge verbuchen konnten.
Staatsanwalt Renner soll jedenfalls nach Angaben seines Sohnes Heinrich in einem Zeitungsinterview den Einsatz der Hellsehrinnen im Nachhinein bedauert haben. Er soll sich Vorwürfe gemacht haben, dass er so etwas zugelassen habe.
Zum Themas Hellseher gehört auch Alois Irlmaier. Er war in ganz berühmter bayrischer Hellseher und er wurde 1947 vom Amtsgericht Laufen vom Vorwurf der unbefugten Ausübung der Hellseherei mit der Begründung freigesprochen, weil er überzeugende jedoch kaum zu erklärende Zeugnisse seiner Sehergabe beigebracht habe und daher nicht als Gaukler bezeichnet werden dürfe.
A.R.
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