Vernehmung Josef Schrittenlocher vom 17.12.1951

Vernehmung Josef Schrittenlocher

 

Vernehmungsniederschrift Josef Schrittenlocher 17.12.1951

 

Weiters erscheint in seiner Wohnung aufgesucht der verh. Bauer Josef Schrittenlcher, geb. 30.9.1896 in Göbern Ldkrs. Schrobenhausen, dort Haus Nr. 24 wohnhaft und gibt mit dem Gegenstand der Vernehmung bekannt gemacht und zur Wahrheitsangabe ermahnt folgendes an:

 

"Anfangs April 1922 war ich in der Oberpfalz beim Gänse kaufen. Als ich gegen 4 Uhr nachmittags nach Hause gekommen bin, hat man in Gröbern erzählt, dass die Hinterkaifecker erschlagen worden seien. Ich bin hierauf sofort nach Hinterkaifeck gegangen. Ich kann mich heute nicht mehr entsinnen, wer noch bei mir gewesen ist. Als wir nach Hinterkaifeck kamen, waren schon einige Leute anwesend. Wie ich mich noch entsinne habe ich unter den Leuten den Bauern Schlittenbauer Lorenz und den Bauer Jakob Siegl gesehen. Wir waren zuerst im Hofe gestanden und haben in das Innere des Anwesens geschaut. Zuerst getrauten wir uns nicht in das Anwesen zu gehen. Durch welche Tür wir dann später das Anwesen betraten, kann ich heute nicht mehr sagen. Wir alle waren sehr erschrocken. In der Futterkammer unmittelbar an der Stalltüre fanden wir den erschlagenen Gruber, seine Frau, seine Tochter und die kleine Cäcilie. An Einzelheiten kann ich mich nicht mehr erinnern und kann daher auch nicht sagen, ob die Leichen schon zugedeckt waren.

 

Als wir durch den Stall gegangen sind, ist mir nichts Außergewöhnliches aufgefallen. Der Hund der Hinterkaifecker glaube ich war im Hause. Wie ich noch weiß,hat dieser ebenfalls einen Schlag abbekommen und war am Kopfe verletzt. Ob das Vieh ausgemolken war oder gefüttert wurde, weiß ich heute nicht mehr. Auf diese Einzelheiten haben wir damals in unserer ersten Aufregung nicht geachtet. Durch die Küche sind wir dann in das Schlafzimmer der Gabriel gekommen. Dort habe ich vor den Betten einen Kinderwagen gesehen. Ich kann mich hier noch sehr gut entsinnen, dass das Dach des Kinderwagens eingeschlagen war. Als ich in den Kinderwagen schaute, sah ich, dass durch einen heftigen Schlag auf den Kopf des Kindes dieses getötet wurde. Splitter des Kopfes und Gehirnteile konnte man an der Decke des Daches des Kinderwagens wahrnehmen. Der Täter hat meiner Anschauung nach den Schlag nicht mit der Schneide der Haue sondern mit der Breitseite geführt. Im ersten Augenblick haben wir gar nicht nach der Magd geschaut. Ich weiß daher heute nicht mehr wie die Leiche derselben gefunden wurde. Wir haben hierauf nachdem wir alles angeschaut hatten das Anwesen Hinterkaifeck verlassen und setzten uns in die im Hofe stehende Hütte. In dieser Hütte befanden sich im oberen Teil Bretter und auf dem Boden befand sich Ackergerät, wie Eggen und Pflüge.

 

Ich kann mich zwar nicht mehr daran entsinnen, wie es sich zugetragen hat als man die Dienstmagd erschlagen in ihrer Kammer gefunden hat. Diese lag , wie ich mich noch zu entsinnen glaube, mit dem Kopf teilweise unter dem Bett und die Füße zeigten in Richtung der Fenster. Auf der fensterbank befand sich ein gefüllter Rucksack, wie ihn die Magd nach Hinterkaifeck gebracht hat. Er war also noch nicht ausgepackt. Die Leiche der Magd war bekleidet. Sehr gut kann ich mich entsinnen, dass die Magd rote Strümpfe trug, welche mit weißen Ringen abgesetzt waren.

 

Im Laufe der Zeit sind immer mehr Leute gekommen und daher weiß ich eigentlich nicht mehr genau, was sich alles der Reihe nach abgespielt hat. Wer das Vieh getränkt und gefüttert hat, kann ich nicht mehr sagen. Ich habe es jedenfalls nicht gemacht. Wann ich damals nach Hause gekommen bin, kann ich ebenfalls nicht sagen, wohl aber dass ich Wache halten musste.

 

Ich habe sehr oft bei Gruber gearbeitet, aber in die Küche bin ich nie gekommen. In der Stube bei Gruber haben wir immer gegessen. Welche Möbel in der Stube standen, kann ich heute nicht mehr genau angeben. Ob ein Wandkästchen vorhanden war, weiß ich auch nicht.

 

Wie ich noch weiß, ist man von der Tenne aus in den Dachboden gelangt. Ich selbst bin zwar dort noch nie hingekommen, obzwar ich sehr oft dort gearbeitet habe. Ich könnte mich aber nicht entsinnen, ob in der Scheune ein Heuseil gehangen hat. Schließlich ist mir auch nicht in Erinnerung, ob sich in der Nähe der Futterkammer ein Steigbaum befand, mittels dessen man auf den Boden gelangen konnte.

 

Das Gebäude Hinterkaifeck war in einem guten baulichen Zustand. Lediglich die Scheune bzw. Wiederkehr war älterer Art. Wie ich schon erwähnte, bin ich nie auf den Heuboden gekommen. Deshalb kann ich auch nicht sagen, dass dort sich ein Loch oder eine Liegestelle befunden hat. Dortmals als man die Leichen gefunden hat, habe ich mich nicht lange im Hause aufgehalten, sondern bin gleich wieder hiausgegangen. Wie ich schon erwähnt habe, waren alle sehr erschrocken. Speisereste habe ich keine gesehen.

 

Von verschobenen Dachplatten habe ich nichts gehört. Auch habe ich nicht gehört, dass aus den Dachluken jemand herausgeschaut hätte.

 

Der alte Gruber ist ein hilfsbereiter Mann gewesen. Er hat jedem ausgeholfen. Wenn man bei ihm gearbeitet hat, so hat er zwar gut bezahlt, aber das Essen war weniger lobenswert.

 

Die alte Frau Gruber hat das Anwesen, d.h. den Haushalt geführt. Die Frau Gabriel und der alte Gruber haben die Feldarbeiten und überhaupt alle anfallenden Arbeiten in der Landwirtschaft erledigt. Dass er eingesperrt war, wird der Polizei schon bekannt sein. Ich weiß nicht, wer der Vater des 2. Kindes sein könnte. Über die familiären Verhältnisse hat er nie etwas gesprochen. In dieser Beziehung war er verschlossen.

 

Ein Eser ist mir nicht bekannt, könnte mir nicht denken wo und wann ich diesen Namen einmal gehört hätte. Auch ein Kerner Hiasl ist mir nicht bekannt. Ich kann mich auch nicht entsinnen, dass in der damaligen Zeit jüngere Burschen in einem Alter von 8-12 Jahren nach Gröbern gekommen wären und gebettelt hätten. Zutreffen kann dies zwar schon, es sind immerhin schon 30 Jahre vergangen, wobei man so etwas schon vergessen kann. Der Kartoffeldämpfer ist im Backofen gestanden. Ich weiß aber nicht, wo die Kartoffeln gestampft worden sind. Trotzdem ich sehr oft bei Gruber gearbeitet habe, muss ich sagen, dass ich noch niemals an den Backofen gekommen bin.

 

An weitere Einzelheiten kann ich mich im Moment nicht entsinnen.

 

V.g.u.u.

 

gez. Schrittenlocher Josef

 

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Vernehmungsniederschrift vom 1.7.1952

 

Aufgesucht auf seinem Acker in der Flurmarkung Gröbern, mit dem Gegenstand der Vernehmung vertraut gemacht und zur Wahrheitsangabe ermahnt, gibt Josef Schrittenlocher folgendes an:

 

I. Zur Person

 

Schrittenlocher, Vorname Josef, verh. Bauer, geb. am 30.1.1896 in Gröbern Ldkrs. Schrobenhausen, wohnhaft in Gröbern Haus Nr. 24

 

II. Zur Sache:

 

"Ich bin in Gröbern aufgewachsen und kam schon in meiner frühesten Jugend öfters in das Anwesen Hinterkaifeck. Später habe ich bei den Erntearbeiten wiederholt in dem Anwesen Hinterkaifeck mitgearbeitet. Mir waren daher die sämtlichen Bewohner von Hinterkaifeck gut bekannt. Auch den jungen Bauern, der nur kurze Zeit in Hinterkaifeck war, habe ich schon von frühester Jugend her gekannt.

 

Während des 1. Weltkrieges war ich nicht beim Militär. Ich habe nämlich seit meinem 13. Lebensjahr das linke Bein steif. Der junge Bauer von Hinterkaifeck, Karl Gabriel ist im ersten Kriegswinter 1914 in Frankreich gefallen. Auch während des Krieges habe ich auf dem Anwesen Hinterkaifeck bei Erntearbeiten, zur Druschzeit und bei sonstigen Arbeiten mitgeholfen. Zu dieser Zeit habe ich aber nie einen Urlauber oder eine sonst mir unbekannte Mannsperson auf dem Hof in Hinterkaifeck angetroffen.

 

Mir ist vom Reden her bekannt, dass der alte Gruber mit seiner verwitweten Tochter Viktoria Gabriel blutschänderische Beziehungen unterhalten hat. Ich war sogar Zeuge, wie Gruber seinerzeit wegen dieser Beziehungen auf der Wiese von der Gendarmerie verhaftet wurde.

 

Welchen Umgang die Viktoria nach dem Tod ihres Mannes mit Männern hatte, weiß ich nicht. Mir sind auch keine Korbmacher bekannt, die auf dem Anwesen Hinterkaifeck verkehrt hätten. Eines Tages befand sich Viktoria Gabriel in gesegneten Umständen. Als Erzeuger sagte man, dass ihr Vater in Frage komme. Es handelt sich hierbei um die Schwangerschaft des bei der Mordtat umgekommenen Buben.

 

An einem mir nicht mehr näher bekannten Tag im Herbst, glaublich 1919, war ich beim Dreschen in Hinterkaifeck. Zur damaligen Zeit wurde der Lohndrusch noch mit dem Dampfkessel betrieben. An diesem Tag kam ich in der Früh zwischen 6 u. 7 00 Uhr in Hinterkaifeck an. Außer mir waren noch der Bauer Schrätzenstaller und der Landwirt Kreitmayer von Gröbern in Hinterkaifeck beim Dreschen. Kreitmayer ist inzwischen gestorben. Als wir drei beim Dampfkessel zusammenstanden, kam der alte Gruber auf uns her. Einer von uns drei begrüßte den alten Bauern und sagte: " Guten Morgen Anderl, bist auch schon auf?" Gruber erwiderte:" Oh mei Buben, ich bin heute Nacht fast nicht zu bett gekommen." Kreitmayer fragte ihn nun, ob er denn soviel Arbeit gehabt oder ob ihm ein Heil widerfahren wäre. Gruber erwiderte glaublich, dass in der vergangenen Nacht die junge Frau ( seine Tochter Viktoria) entbunden habe. Kreitmaer sagte, dass dies doch nicht so schlimm sei. Gruber erwiderte nun daraufhin: " Ja von mir aus wäre es gewesen wer es wollte, meinetwegen auch der Bauernsepp!" Damit war ich gemeint. Aus diesem Ausdruck des alten Gruber haben wir geschlossen, dass er mit dem Erzeuger des Kindes nicht einverstanden war. Wer aber der tatsächliche Erzeuger des Kindes gewesen ist, wussten wir nicht. Den Ausdruck, von den "Herumziehenden" hat Gruber nicht gebraucht.

 

Von einer Magd, die um diese Zeit auf dem Anwesen Hinterkaifeck niedergekommen ist, weiß ich nichts. Ich kenne überhaupt keine Magd von Hinterkaifeck.

 

Auf Vorhalt:

Mir ist auch nichts bekannt, dass sich vorübergehend Korbflechter oder Hausierer usw. auf dem Anwesen Hinterkaifeck aufgehalten hätten. Ich habe dort zu keiner Zeit weder Korbmacher arbeiten sehen , noch sonstige Personen auf dem Hof angetroffen. Der Korbmacher Adolf Gump ist mir nicht bekannt. Von Karlskron ist immer ein Korbmacher namens Geier mit Frau gekommen. Es handelte sich hierbei um ein älteres Ehepaar.

 

Auf Vorhalt:

Ich muss zugeben, dass man seinerzeit auch davon gemunkelt hat, dass Erzeuger des Kindes der Viktoria Schlittenbauer der Landwirt Lorenz Schlittenbauer aus Gröbern sei. Ich selbst habe aber Schlittenbauer weder auf dem Hof in Hinterkaifeck oder sonstwo mit der Viktoria Gabriel angetroffen.

 

Meine Angaben habe ich freiwillig und ohne Zwang gemacht. Sie entsprechen der Wahrheit und wurden in meinem Sinne niedergeschrieben, was ich nach Durchlesen des Protokolls mit meiner Unterschrift bestätige.

 

Josef Schrittenlocher



Quellenhinweis:
Die eingestellten Akten werden im Staatsarchiv Augsburg unter der Archivsignatur
StAnwA 1 Js 244/52
verwahrt.

 



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