Vernehmungen des Postschaffners Josef Mayer
Vernehmungsniederschrift vom 10.1.1952
Aufgesucht in seiner Wohnung, mit dem Gegenstand der Vernehmung vertraut gemacht und zur Wahrheitsangabe ermahnt, gibt Josef Mayer folgendes an:
I. Zur Person:
Mayer, Josef, verh. Postschaffner, geb.6.6.1895 in Burgmannshofen, Ldkrs. Donauwörth, wohnhaft in Waidhofen, Haus Nr. 56, Lkrs Schrobenhausen
II. Zur Sache
Seit dem Jahre 1914 bin ich im Postdienst tätig. Vom Jahre 1915 bis März 1920 war ich beim Militär in frz. Kriegsgefangenenschaft. Nach meiner Rückkehr aus der Gefangenenschaft war ich zunächst in Ingolstadt im Postdienst und seit 1.3.1921 bin ich in Waidhofen, LK Schrobenhausen im Postdienst tätig. Ich bin hier im Landzustellerdienst tätig und komme schon immer in die Gegend von Gröbern, Vorder-und Hinterkaifeck, Haidhof, Oberhaidhof usw.
In meiner Eigenschaft als Postbote kam ich auch in das Anwesen Hinterkaifeck. Bei dieser Gelegenheit lernte ich die Bewohner von Hinterkaifeck kennen. Die Eheleute Gruber und auch die Frau Viktoria Gabriel waren nach meiner Ansicht schon zugängliche Leute. Man konnte sich schon mit ihnen unterhalten, wenn gleich sie sehr für sich waren. Bei meinem Zustellgang am ich im Monat einmal ins Haus. Dies war immer dann der Fall, wenn ich Frau Gabriel ihre Kriegerwitwenrente überbrachte. Am Anwesen Hinterkaifeck kam ich täglich bei meinen Zustellgängen vorbei. An den Montagen, Mittwochtagen und Freitagen stellte ich jeweils die Zeitungen ( damaliges Schrobenhausener Wochenblatt) zu. Mit den Bewohnern von Hinterkaifeck war es so vereinbart, dass ich die Zeitung jeweils hinten am Küchenfenster reinstecken solle. Manchmal kam es auch vor, dass eines der Bewohner heraußen am Backofen, am Brunnen oder sonstigen Arbeit beschäftigt war. Bei diesen Gelegenheiten habe ich mich sowohl mit dem alten Gruber und dann und wann auch mit der Frau Gabriel unterhalten. Glaublich im Monat März 1922 wurde ich sowohl von Gruber als auch von der Frau Gabriel wiederholt gefragt, ob ich jemand gesehen hätte, weil sie glauben, dass immer jemand im Anwesen sei. Um diese Zeit wurde beim Anwesen Hinterkaifeck entweder von Gruber selbst oder von Frau Gabriel ein Exemplar "Müchener Zeitung" gefunden. Sie fragten mich, ob ich diese verloren hätte bzw wer in der Umgebung Bezieher der Münchener Zeitung sei. Um diese Zeit hatte es einmal einen Schneematsch. Als ich am Anwesen Hinterkaifeck vorbeikam, waren Gruber Andreas und Viktoria Gabriel bei den Spuren, die von dem Weg zum Motorenhaus hinführten. Damals sagten sie mir, dass im Schnee eine Spur in den Stadel führt und sie aber bei der Suche nichts gefunden haben.
Am Freitag, den 31.3.1922 habe ich bei meinem Zustellgang dem Gruber die Zeitung noch übergeben. Dieser war damals an der Nordseite des Hauses beim Brunnen und schöpfte Wasser. An diesem Tag habe ich Gruber das letzte Mal gesehen. Meine nächste Zustellung war dann der Montag der 3.4.1922. An diesem Tag habe ich von Hinterkaifeck niemand gesehen. Ich steckte die Zeitung, wie sonst auch, ans Küchenfenster. Aufgefallen ist mir noch, dass ich bei diesem Gang den Kinderwagen nicht in der Küche, wie sonst, stehen sah. Die Küchentür war halb geöffnet. Dazu möchte ich bemerken, dass ich dem Kind, das sich im Wagen immer selbst schaukelte, bei meinen Zustellgängen durch das Küchenfenster zuschaute. Das Vieh im Stall zeigte sich um diese Zeit - es war gegen 8.30 Uhr - etwas unruhig und brummte. Gebrüllt hat das Vieh nicht. Der Hofhund hat nie angeschlagen, wenn ich meine Post im Küchenfenster absteckte. Nicht richtig ist, dass ich am Montag, den 3.4.1922 die vorher erschienene Zeitung am Küchenfenster steckend vorgefunden habe. Dies trifft schon deshalb nicht zu, weil ich die Zeitung vom Freitag dem alten Gruber persönlich, so wie ich vorhin geschrieben habe, beim Brunnen übergeben habe.Wenn tatsächlich meine zuletzt zugestellte Zeitung noch, wie häufig angegeben wurde, am üchenfenster gesteckt hätte, so würde ich mich bestimmt im Anwesen Hinterkaifeck umgesehen haben. Dies schon deshalb, weil mir ja bekannt war, dass die Hinterkaifecker ja schon fast immer auf die Zeitung gewartet haben.
Das Anwesen Hinterkaifeck hatte zwei Haustüren. Die hintere an der Nordseite war ohne Türklinke außen. Man konnte diese nur von innen öffnen. Ich ging jeweisl bei der hinteren Haustüre ein und aus. Wenn man die hintere Haustüre betreten hatte, kam man zuerst in eine Art Futterkammer. Von dort aus ging eine Türe, die rechts war, in die Küche. Außerdem führte von der Futterkammer aus eine Treppe zum Getreideboden., links führte eine Türe zum Stall. An der Südseite war das Anwesen mit einem Drahtgeflecht umzäunt. An der Nordseite befanden sich morsche Stangen.
Nach Entdeckung der Tat wurde ich von dem damaligen Gendarmeriebeamten Goldhofer von Hohenwart über meine Wahrnehmungen vernommen. Schon seinerzeit machte man mir zum Vorwurf, dass ich mehrere Zeitungen aufeinandergesteckt hätte. Dies entsprach aber nicht den Tatsachen. Schon damals habe ich meine Angaben so gemacht wie heute.
Im Herbst 1951 erschien in meiner Wohnung ein Zeitungsreporter vom Donauurier in Ingolstadt. Er stellte Fragen an mich über die damaligen Verhältnisse und insbesondere die Mordtat in Hinterkaifec. Zunächst wollte ich ihm keine Auskunft geben. Der Reporter, dessen Namen ich nicht genau weiß ( ich glaube Edgad oder so ähnlich) ließ sich aber nicht abtreiben und stellte immer wieder Fragen. In seiner Begleitung befand sich eine Frauensperson, welche er als seine Frau vorstellte. Notizen machte sich der Reporter nicht. Anschließend haben sie mich noch dazu überredet, dass ich mich von ihnen im Garten fotografieren ließ.Abschließend habe ich mir aber ausbedungen, dass sie meine Ausgaben und mein Lichtbild unter einen Umständen in der Schrobenhausener Zeitung veröffentlichen dürfen. Dies wurde mir zugesagt, aber von der Redation des Donaukuriers nicht eingehalten. Ich war dann vollommen überrascht, als ich in der Schrobenhausener Zeitung im ersten Roman über Hinterkaifeck mein Lichtbild abgedruckt und meine Angaben veröffentlicht waren.
Zu dieser Zeit , als man meine Angaben veröffentlichte, war der Artikel, den Matthias Eser über die Mordtat Hinterkaifeck der Zeitung übergab, noch nicht bekannt.
Meine Angaben habe ich freiwillig und ohne Zwang abgegeben. Sie entsprechen der Wahrheit und wurden meinem Sinne nach niedergeschrieben, was ich nach Durchlesen des Protokolls mit meiner Unterschrift bestätige.
Josef Mayer
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Amtsgericht Schrobenhausen Schrobenhausen, den 5. Juni 1952
Zeugen-Vernehmung
in der Untersuchung gegen Unbekannt ( Mordsache Kaifeck) wegen Mords
Gegenwärtig:
Hölzle, OAR, (als Amtsrichter)
Reiner, J.Angest. ( als stellvertr. Urkundsbeamte)
Auf Ladung fand sich ein
Mayer, Josef
Der Zeuge wurde von dem Gegenstande der Vernehmung in Kenntnis gesetzt, zur Wahrheitsangabe ermahnt und vernommen, wie folgt:
auf die Bedeutung des Eides und die Folgen einer falschen eidlichen und uneidlichen Aussage hingewiesen
Zur Person:
Mayer, Josef, 56 Jahre alt, verh. Postschaffner, wohnhaft Waidhofen Haus Nr. 56, mit dem Beschuldigten Adolf oder Anton Gump nicht verwandt, verschwägert, befreundet oder verfeindet.
Zur Sache:
Einen Korbflechter Adolf Gump aus Karlskron oder Kranzberg bei Freising habe ich nie gekannt. Auch habe ich von diesen Personen nie gehört. Ich bin wohl auf meinen Gängen zu dem Einödshof Hinterkaifeck in dem Wald zwischen dem Anwesen Schadt und Hinterkaifeck szt. wiederholt Korbflechtern begegnet, aber ich kannte keinen von ihnen.
Meine Aussage vor der Landespolizei Bayern, Krim.Stelle vom 10.1.1952 wurde mir vorgelesen. Die Aussage ist richtig und ich mache sie zum Gegenstand meiner heutigen Aussage.
Ergänzend bemerke ich noch folgendes: Bis zum Jahr 1921 war auf dem Anwesen Hinterkaifeck eine Magd beschäftigt, die meiner Erinnerung nach am Karsamstag des Jahres 1921 in Hinterkaifeck ein uneheliches Kind gebar, das den Namen Viktoria erhielt. Den Familiennamen der Mutter weiß ich nicht mehr. -Aus dem standesamtlichen Nebenregister des Amtsgerichts Schrobenhausen 1921 für Hohenwart wurde hierauf festgestellt, dass am 30. März 1921 Frau Viktoria Gabriel bei dem Standesamt Hohenwart anzeigte, dass von der ledigen Dienstmagd Kreszenz Rieger am 26.März 1921 in Kaifeck, Gmd. Wangen Haus Nr. 27 1/2 ein Mädchen geboren worden sei und dass das Kind den Vornamen Viktoria erhalten habe. -
Der Zeuge fährt fort: Diese Viktoria Rieger ist soviel ich weiß jetzt in Schrobenhausen mit einem Eisenhändler verheiratet. Während des letzten Krieges war sie als landwirtschaftliche Magd bei dem Bauern Plöckl in Haidhof beschäftigt. Ob die Mutter dieses Kindes, die genannte Kreszenz Rieger, später geheiratet hat und ob sie heute noch lebt, weiß ich nicht. Meines EA dürfte diese am ehesten noch über Personen Auskunft geben können, die mit den szt. Ermordeten in Verbindung standen.
Mit dem Weg, von dem Spuren zum Motorenhaus des Anwesend von Hinterkaifeck führten, meinte ich den Verbindungsweg von Königslachen über Hinterkaifeck nach Gröbern, der in einer Entfernung von etwa 10m, in Richtung Gröbern gesehen links an dem Anwesen vorbeiführte.
Ich bleibe darauf bestehen, dass ich am 31.3.1922 das Schrobenhausener Wochenblatt, das ich zu dieser Zeit immer den Anwesenheitseigentümern zustellte, dem alten Gruber persönlich übergab. Ebenso hebe ich nochmals hervor, dass es nicht richtig ist, dass ich am 3.4.1922 die vorher erschienene Zeitung am Küchenfenster steckend vorgefunden habe.
V.g.u.u
Der Zeuge wurde gesetzlich beeidigt.
Josef Mayer
Hölzle
Quellenhinweis:
Die eingestellten Akten werden im Staatsarchiv Augsburg unter der Archivsignatur
StAnwA 1 Js 244/52
verwahrt.
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